Weniger ist manchmal mehr – Kommunikation im Change

Kommunikation ist so eine Sache. Der Versuch, alles ins Feinsäuberlichste darzustellen, führt nicht immer zum Erfolg, wenn ich z. B. meine Zuhörer mit Detailtiefe überfordere oder ihren Geduldsfaden zu sehr strapaziere. Man kann seine Zuhörer regelrecht „totquatschen“: Je mehr man argumentiert, desto schwächer wird die Argumentation.

Das hat Mark Twain schon vor geraumer Zeit festgestellt und in einer herrlichen Anekdote beschrieben:

„Es predigte statt des Pfarrers ein Missionar, der eine prachtvolle Stimme hatte. In ergreifender Schlichtheit erzählte er von dem Leiden der Neger. Ich war so gerührt, dass ich statt der 50 Cents, die ich zu opfern gedachte, die Spende verdoppeln wollte.

Die Schilderungen des Missionars wurden immer eindringlicher und ich nahm mir vor, meine Gabe weiter zu steigern: auf zwei, drei, fünf Dollar. Schließlich war ich dem Weinen nahe. Ich fand, alles Geld, das ich bei mir trug, reichte nicht, und ich tastete nach meinem Scheckbuch.

Der Missionar aber redete und redete, und die Sache wurde mir allmählich langweilig. Ich ließ die Idee mit dem Scheckbuch fallen und ging auf fünf Dollar zurück. Der Missionar redete. Ich dachte: Ein Dollar genügt. Der Missionar redete. Als er fertig war, legte ich zehn Cents auf den Teller.“

(Mark Twain)

Veränderung braucht Kommunikation – aber kein Totquatschen

Gerade in Veränderungsprozessen gilt es, Zuhörer im Kopf und im Herzen zu überzeugen. Manche Führungskräfte bemühen sich dann um rhetorische Geschliffenheit und ausführliche Argumentationsfiguren. Vielleicht weil die Rhetorik in unsicherer Situation ein Gerüst ist, an dem sich gut festhalten lässt. Doch das erweist sich häufig als vergebliche Liebesmüh. Wie kann ich es besser machen?

Botschaften wirkungsvoll auf den Punkt bringen – worauf ist zu achten?

Zuerst einmal, seien Sie kurz und prägnant. Alt-Kanzler Helmut Schmidt benutzte den einprägsamen Ausdruck „Quallenfett vermeiden“. Fokussieren Sie sich auf das Wesentliche, seien Sie dabei aber dennoch einfühlsam und um den passenden Ton bemüht. Letzteres sind wichtige Zutaten, die eine Botschaft annehmbar machen und die „Verdauung“ erleichtern.

Achten Sie auf Authentizität. Ehrlichkeit und Offenheit vermitteln sich sehr schnell als Pluspunkte und wiegen im Überzeugungsprozess deutlich mehr als billige Effekthascherei. Versuchen Sie erst gar nicht, etwas schönzureden. Besser ist es, Risiken offen und ehrlich zu adressieren, den MitarbeiterInnen reinen Wein einzuschenken, zugleich aber auch Lösungsszenarien zu entwerfen und überhaupt die erforderliche Lösungskompetenz auszustrahlen. Vergleichbar etwa mit der Ausstrahlung und Sicherheit eines erfahrenen Piloten, der zwar offen von ungewöhnlichen Turbulenzen spricht, bei dem man aber gleichzeitig das Gefühl hat, er kriegt das in den Griff. Das wird Ihnen mit höherer Wahrscheinlichkeit die gewünschte Gefolgschaft bringen.

„Sowohl als auch“ statt „Entweder oder“

Wie häufig im Führungsalltag, ist es nicht das „Entweder oder“, sondern das „Sowohl als auch“. Mit „Sowohl“ meine ich hier die Ehrlichkeit. Doch sie allein löst möglicherweise nur eine unproduktive Schockstarre aus, daher brauchen Sie ebenso das „als auch“: Leitplanken und Wegweiser, welche die notwendige Orientierung mitliefern, ohne die damit verbundenen und teilweise immensen Herausforderungen zu beschönigen. Wenn mir jemand schön bebildert einen Weg aufzeigt, doch ich spüre, dass wir genauso gut anders herum steuern könnten, fehlt mir die Überzeugung. Dann kann ich die Botschaft auch in meinem Verantwortungsbereich kaum glaubhaft vertreten.

Auch wenn es leicht nachvollziehbar ist, diese beiden Komponenten zu kombinieren, braucht es dennoch viel Übung und Fingerspitzengefühl, das stimmige Maß zu finden und beides in Einklang zu bringen. Schon alleine aufgrund der Tatsache, dass in vielen Führungsebenen – nicht nur in Konzernen – mit den beiden Aspekten eher sparsam umgegangen wird.

Change als Event inszeniert – was bringt das?

Oft haben im Rahmen des Change-Prozesses brillante Köpfe an der Spitze die Vision überarbeitet, die langfristige Strategie entwickelt und sie, evtl. mit externer Unterstützung, in wohlfeile Leitbilder gekleidet. Dann wird sie der Belegschaft vorgestellt, gerne in Verbindung mit einem Event, das vorzugsweise agil und emotional ist und sich auch PR-mäßig gut nutzen lässt. Vielleicht noch garniert mit einem hochkarätigen Keynote-Speaker wie einem Extremsportler. Botschaft: Es braucht nur noch das richtige Mindset, um das jetzt zum Fliegen zu bringen.

Bei der Belegschaft wird so ein Event eher als Selbstbeweihräucherung ankommen. Oft werden diese strategischen Ziele in finanzielle Anreize wie Boni & Co transferiert, das Umsetzen anschließend von aufwändigen Kontrollinstanzen begleitet. Das mag funktionieren, aber es ist doch im Kern nur mehr vom Gleichen. Dabei wird eine große Chance vertan, die darin besteht, die MitarbeiterInnen einzubeziehen und ihre Erfahrungen und Kreativität auch zu integrieren. Letztlich eine verpasste Gelegenheit, die MitarbeiterInnen zu MitunternehmerInnen zu machen.

Das Was und das Wie der Kommunikation bedenken

Um MitarbeiterInnen wirklich zu erreichen, machen Sie sich Gedanken über gute Kommunikation. Vor allem dann, wenn es um kritische Botschaften und um Überzeugung geht. Hier ist eine kleine Hilfestellung in Form von Leitfragen, mit denen Sie sich mit Ihrem Publikum besser verbinden können:

  • Was ist der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Ihnen und dem Publikum?
  • Welches Ziel, welche Überzeugung verbindet Sie?
  • Welche Sorgen, welche Bedenken beschäftigen Ihre MitarbeiterInnen?
  • Was würde den gewünschten Trost bzw. die notwendige Orientierung bieten?
  • Wie gut gelingt es Ihnen, komplexe Situationen kommunikativ richtig zu handhaben?

Schließlich sollten Sie Ihren kommunikativen Fahrplan überdenken. Wo fahren Sie besser: die geplante Reise nur grob zu umreißen – oder mittels 120 PowerPoint-Folien eine Sicherheit vorzuspiegeln, die sich vielleicht am folgenden Tag bereits überholt hat? Denken Sie daran: Sie können auch zu viel argumentieren und damit die gesamte „Spendenbereitschaft“ – siehe oben – zunichte machen.

Wenn Ihre MitarbeiterInnen klar wissen, in welche Richtung die Reise geht, und das Warum nachvollziehen können, sind sie auch bereit, hohe Leistung zu bringen und Verantwortung zu übernehmen.