Harte Schnitte, neues Wachstum

Neues Jahr, neues Glück – und natürlich neue Pläne. Macht ja auch Spaß, die Zeit zwischen den Jahren bewusst dafür zu nutzen. Was jedoch mindestens genauso empfehlenswert ist: sich bewusst damit zu beschäftigen, was ich nicht (mehr) möchte. Gerade das abgelaufene Jahr hat uns viele Gelegenheiten gegeben, uns auf das zu besinnen, was wir wirklich wollen, was Bestand haben soll. Und auf was wir auch perspektivisch verzichten können und wollen.

Der alljährliche Rebschnitt bietet mir eine gute Parallele. Auch hier werde ich im Herbst nur eine erfolgreiche Ernte haben, wenn ich den Schnitt zum Jahresbeginn mit Konsequenz angehe. Jetzt lege ich den Grundstein für meinen Erfolg. In meinen Anfängen als Hobbywinzer suchte ich häufig den Kontakt zu Profis und war überrascht, welche Mengen sie wegschneiden, wie viel Holz sie entfernen. Mir erschien das richtig brutal und als schiere Verschwendung.

Der Erfolg dieser rigorosen Vorgehensweise zeigt sich jedoch in jeder Ernte. Es gibt wenige Kulturpflanzen, wo die umgekehrte Proportionalität zwischen Ertragsmenge und Qualität so ausgeprägt ist wie bei der Rebe: Je weniger sie trägt, desto besser sind Fruchtgröße, Traubengröße und vor allem die innere Fruchtqualität. Genau deswegen reduzieren die Spitzenwinzer auf nur noch einige 100 Gramm pro Rebstock.

Alle Jahre wieder

Wie viele Augen lasse ich am Stock? Wie viel Ertrag strebe ich an und was mache ich damit? Der Rebschnitt ist einer der wichtigsten Qualitätseinstellungen. Hier entscheide ich, ob ich später eine Literflasche abfülle oder einen hochwertigen Bocksbeutel für 15 Euro produziere.

Ertragsregulierung nennt es der Winzer, da sich die Menge des Lesegutes mit dem Beschnitt gut steuern lässt. Unverzichtbar, wenn es um hochwertige Aromen und reiche Farben geht. Denn wenn ein Rebstock mit zu vielen Trauben überlastet ist, reichert sich in jeder einzelnen sehr viel weniger von all dem an, was einen Wein zum tatsächlichen Genussmittel macht. Die Gewächse ruhen im Winter und haben ihren Pflanzensaft tief in das Wurzelwerk hinuntergezogen, halten den Beschnitt somit auch gut aus.

Je nach Art und Gestaltung sorgt der Rebschnitt dafür, dass der Stock im Frühjahr richtig austreiben kann. Deshalb muss ich auch jeden einzelnen Rebstock genau unter die Lupe nehmen und mir immer wieder neu überlegen, wo ich die Schere ansetze. Und dennoch kann ich dabei die Stille und Ruhe im Weinberg genießen.

Lernen von der Natur: Rebschnitt und die Not-to do-Liste

Der Rebschnitt lässt sich gut mit einer Not-to-do-Liste vergleichen, auf der ich festhalte, was ich im neuen Jahr nicht mehr machen möchte. Gerade das vergangene Jahr hat mir wertvolle Impulse geliefert: Welcher Verzicht lieferte mir bei genauer Betrachtung sogar einen Mehrwert? Welche Tugenden lernte ich offensichtlich erst in der „Not“ wieder zu schätzen? Welche Gewohnheiten, Rituale sind entstanden, die mir guttun? Was habe ich liebgewonnen, was ist der neue „Gold-Standard“?

Die Not-to-do-Liste hilft, lästige Zeitfresser auszuschalten und Prioritäten zu setzen. Nur eben auf eine ganz andere Weise als die hinlänglich bekannte To-do-Liste. Finden Sie heraus, ob die Not-to-do-Liste zu Ihnen passt, für welche Szenarien sie sich anbietet und wie Sie sie für sich anpassen können. Hier sind einige Anregungen:

  • Zeitfresser usschalten und Zeitmanagement verbessern
  • Produktiver werden und den Fokus schärfen
  • Tätigkeiten reduzieren, die unnötig anstrengend sind, nicht weiterführen oder die persönliche Entwicklung behindern
  • Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, konsequent dranbleiben
  • Delegieren, kooperieren, abstimmen, Erleichterungen und Verschlankung bei der Arbeit suchen
  • Die wahren eigenen Interessen und Bedürfnisse erkennen

Lernen von den Super-Reichen: Warren Buffets Not-to-do-Liste

Warren Buffett, einer der reichsten Männer der Welt, hat ein sehr einfaches Erfolgsrezept für die Not-to-do-Liste: Schreiben Sie Ihre 25 wichtigsten Ziele im (Berufs-)Leben auf. Kreisen Sie dann die Top Five ein, die Ihnen am allerwichtigsten sind. Ihre Not to do-Liste ist fertig! Sie umfasst die 20 übriggebliebenen Ziele – die sollten Sie sofort abhaken und Ihre Energie auf die Top Five fokussieren.

Wie viele meiner Kunden habe ich auch über Corona Geschmack an der Entschleunigung gefunden. Ich will nicht mehr in diesem „höher schneller weiter“ gefangen sein und gönne mir den Luxus, meine Not-to-do-Liste zu aktualisieren. Das will ich abstellen:

  • Social Media-Accounts offenlassen, incl. akustischer Signale bei eingehenden E-Mails
  • Trends verfolgen, die schnell überholt sind
  • Private Termine nicht ähnlich priorisieren
  • Nachbereitung vernachlässigen, das sogenannte „after action review“
  • Dem Perfektionismus Raum geben, wo es eher als Zeitverschwendung zu verbuchen ist – die letzten 2% sind häufig richtig teuer!
  • Pausen und Regerationsphasen unterschätzen
  • Vorgehensweisen, die einen Kollateralschaden zur Folge haben, der den Nutzen übersteigt
  • Aktivitäten, die „zu teuer“ sind, d. h. zu Lasten des eigenen Gefühlshaushalts gehen
  • Weniger „Entweder oder“ und mehr „Sowohl als auch"

Auf den ersten Blick scheint eine Not-To-Do-Liste einfacher zu befolgen als die klassische To-Do-Liste. Schließlich muss man Dinge nur sein lassen. Das ist allerdings ein Trugschluss, denn es fordert Energie und Willenskraft, seine Gewohnheiten zu ändern. Wer nicht in alte Muster fallen will, der sollte seine Not-To-Do-Liste aktiv befolgen und immer wieder prüfen, dass er wirklich nicht das tut, was er doch eigentlich vermeiden wollte.

Sowohl der Rebschnitt als auch die Not-to-do-Liste sind für mich hervorragende Beispiele, wie sehr es sich lohnt, wie ein Winzer in Generationen zu denken und bei der Planung für den nächsten Tag nicht nur auf die nächste Ernte zu schielen.