Grüne oder rote Chips? So tickt unser Emotionenkonto

Unser tägliches Leben ist gespickt mit Begebenheiten, die einen emotionalen Eindruck hinterlassen – positiv oder negativ. Wir können uns das einfach wie ein Konto vorstellen, wo Buchungen auf der Soll- und auf der Haben-Seite stattfinden. Oder, um es noch bildlicher zu machen: Wir verwalten in unserem Gehirn zwei Stapel mit Chips, den Gefühlschips.

Ein Stapel besteht aus grünen Chips, das sind die positiven Gefühlsempfindungen. Der andere Stapel ist rot, das sind die negativen Gefühlsempfindungen. Die Chips können winzig klein und kaum wahrnehmbar sein oder riesengroß, dann wiegen sie besonders schwer.

Gefühlte Chips-Bilanz

Wenn der grüne den roten Stapel überwiegt, fühlen wir uns wohl, sicher, zufrieden, entspannt und sind widerstandsfähiger. Das ist ein wichtiger Gedanke: Es kommt nicht auf die absolute Anzahl oder Größe der Chips an, sondern auf das Verhältnis von grün zu rot.

Jetzt stellen wir uns noch die Sockel vor, auf denen die Stapel stehen. Sie sind ein massives Fundament, entstanden aus „Altlasten“, aus roten und grünen Gefühlschips, die uns schon eine Zeitlang begleiten. Da finden sich z. B. unsere gesundheitliche Verfassung, unser sozialer Stand, die familiäre Situation und andere Einflüsse unserer Umwelt. Klar, dass der Stapel auf dem größeren Fundament auch mit weniger Chips noch höher ist.

Ständiger Handel mit Chips

Ständig kommen neue Chips auf unsere Stapel. Jeden Tag, jedes Jahr, ein ganzes Leben lang. Nur selten können wir auch Chips wieder ablegen, so dass die Stapel schrumpfen. Um uns wohlzufühlen, sind wir ständig bestrebt, den grünen Stapel anwachsen zu lassen und rote Chips tunlichst zu vermeiden.

Oft haben wir das Gefühl, dass unsere Umgebung uns deutlich mehr rote als grüne Chips zuwirft und diese auch noch ungebeten auf den jeweiligen Stapel häuft. Mit roten Chips belasten uns z. B. unfreundliche Mitmenschen, schlechtes Wetter oder eine unangenehme Arbeit. Deshalb sind wir permanent auf der Hut und versuchen, dem aus dem Weg zu gehen.

Doch Vermeidung ist nicht immer gut. Manchmal erwarten wir rote Chips und es stellt sich heraus, dass sie am Ende grün sind.

Um grüne Chips zu erhalten, tun wir alles Mögliche. Das kann im Beruflichen oder im Privaten liegen. Wir investieren in unser Hobby, in den Sport, in Zusammentreffen, Feiern oder Konsum – Hauptsache, es verschafft uns Erfolgserlebnisse und positive Emotionen, die wir auf den Stapel häufen können.

Ist das nicht zu einfach?

Natürlich reduziert die Chips-Theorie von Fred Maro. Unsere Gefühlswelt besteht nicht nur aus zwei Farben. Oft begegnen wir Zwischentönen, oder ein Erlebnis löst gleichzeitig verschiedene Emotionen aus. Trotzdem ist das Modell hilfreich. Denn wir sehen sofort: Eine Reihe von guten Gefühlen und Erfahrungen verschafft uns Positiv-Ressourcen, eine Reihe von Enttäuschungen belastet uns und macht uns reizbar.

Deshalb rate ich dazu, immer wieder in sich hineinzuhorchen und den eigenen Kontostand abzugleichen. Überwiegt gerade rot oder grün? Oft merkt man das erst, wenn es zu spät ist, wenn man schon überreagiert hat, jemanden vor den Kopf gestoßen hat oder eine Situation nicht bewältigen konnte. Besser ist es, sich mit Blick auf den aktuellen Saldo seinen Emotionen zu stellen.

Führungsaufgabe Konten-Check

Gerade in der Führungsposition ist es wichtig, dies zu reflektieren, denn das eigene Verhalten strahlt auf die Mitarbeiter ab. Diese haben keinen Einblick in Ihr persönliches Emotionenkonto, werden aber mit Ihrem Verhalten konfrontiert. Deshalb hier einige Tipps zum Umgang mit dem Kontensaldo:

  • Überwiegt Ihr roter Stapel, versuchen Sie bewusst, keine roten Chips auszuteilen. Denn das Risiko, dass Sie es unkontrolliert tun, ist groß. Ihre Mitarbeiter haben aber keine Möglichkeit, Ihnen diese Chips zurückzuwerfen. So werden sie sie vermutlich anders abbauen, z. B. durch Missachtung und Dienst nach Vorschrift. Kommt das immer wieder vor, droht sogar die innere Kündigung.
  • Steht Ihr Saldo auf Rot, vermeiden Sie wichtige Mitarbeitergespräche und kritische Entscheidungen.
  • Beobachten Sie, wie sich Ihre Stimmung verändert. Vermeiden Sie bewusst alles, was den roten Stapel weiter anwachsen lassen könnte, und suchen Sie aktiv nach grünen Chips. Sie werden sehen, dass Ihr Saldo innerhalb weniger Stunden ausgeglichen werden kann.
  • Überwiegt Ihr grüner Stapel, dann nutzen Sie diese Verfassung, um schwierige Dinge anzugehen. Hochmotiviert und ausgeglichen wie Sie sind, können Sie viel leichter mit Menschen umgehen. Sie können ihnen sogar bewusst rote Chips abnehmen, indem Sie z. B. gut zuhören und aufrichtiges Interesse zeigen, oder Sie können gleich am Gesprächsanfang grüne Chips austeilen.
  • Führen Sie kritische Gespräche, z. B. Reklamationsgespräche, nach Möglichkeit nur dann, wenn Ihr Saldo grün ist. So sind Sie gelassener, konzentrierter, können sich besser auf Ihr Gegenüber einstellen und sind weniger anfällig für Störungen. Beste Voraussetzungen also für ein gelingendes Gespräch.

Grün und Rot im Fokus

Nutzen Sie diese einfache Theorie, um sich im alltäglichen Alltagsstress immer wieder „einzunorden“ und auch, um sich schnell auf andere Menschen einzustellen.

Denken Sie daran, ein mit schlechten Gefühlen überlastetes Gefühlskonto ist eine tickende Zeitbombe. Jedes andere Warnsignal, sei es in Ihrem Auto, Ihrem Handy oder einem anderen Gerät, nehmen Sie doch auch ernst. Ein rotes Emotionenkonto sollten Sie ebenso als Alarm verstanden werden.

Es lohnt sich, immer wieder den Fokus darauf zu richten:

  • Was ist aktuell grün? Oft nehmen wir das nicht wahr oder verlieren es aus den Augen.
  • Wie können Sie sich aktiv grüne Chips besorgen?
  • Prüfen Sie auch die roten Chips und suchen Sie: Was ist das Grüne im Roten?