Enttäuschende Unentschieden, schmerzhafte Niederlagen, grandiose Siege – Teamentwicklung macht den Unterschied

Zumindest gegen die Ukraine hat es wieder mal zu einem Sieg gereicht. Im Testspiel gegen die Türkei hat es die DFB-Elf nur zu einem Unentschieden gebracht, Bundestrainer Jogi Löw ist fassungslos. Bei aller Einzelkritik denkt er sicherlich auch über seine eigene Rolle nach, nicht nur als fachlicher Übungsleiter, sondern als Motivator.

Eine motivierende Ansprache kann viel bewirken – in einer entscheidenden Phase der Saison, vor dem Spiel, letztlich in jeder Halbzeitpause. Wer sich ein wenig für Fußball interessiert, kennt vielleicht die Wunder, die ein emotionaler Jürgen Klopp schafft, wenn er seine Spieler richtig pusht, egal ob das in Mainz, Dortmund oder Liverpool ist.

Die Botschaft darf sich nicht abnutzen, um zu überzeugen, und der Trainer muss authentisch bleiben. Dann springt der Funke über, er kann im Team eine Flamme entzünden und schier Unglaubliches bewirken. Doch auch ein Jürgen Klopp kassiert schmerzhafte Niederlagen, wie vor ein paar Tagen das 2:7 von Liverpool gegen Aston Villa. Die Ansprache alleine macht es eben noch lange nicht.

Teamführung: Motivieren auf einer guten Basis

Ein emotionaler Impuls im richtigen Moment kann ein Team zu Höchstleistungen anspornen. Jenseits davon gibt es vier elementare Faktoren zur Steuerung von Teams, die eine hohe Relevanz für den Erfolg haben. Gut beschrieben sind diese Faktoren in dem von Richard Beckhard entwickelten GRIP Modell, wobei GRIP als Akronym für Goals, Roles, Interaction und Process steht.

Goals = Ziele, die gemeinsame Marschroute

Das Ziel sollte idealerweise alle Mitglieder gleichermaßen ansprechen und motivieren. Sieht jeder den Berg, der gemeinsam zu erklimmen ist, kennt die Messkriterien, Prioritäten und Messintervalle zur Erfolgsmessung? Oder kocht doch jeder sein eigenes Süppchen? Es kommt selten ein Teamgefühl auf, wenn beim Staffellauf einer einen Rekord aufstellen will und andere, ganz olympisch, nur dabei sein wollen.

Roles = Klarheit von Rollen und Befindlichkeiten

Oft unterschätzt: Passen die Abgrenzungen, Schnittstellen, Zuständigkeiten? Beispielsweise ist Hansi Flick aktuell als Trainer des FC Bayern super-erfolgreich und erfährt eine extrem hohe Wertschätzung. In vorherigen Stationen, z.B. als Sportlicher Leiter bei der TSG Hoffenheim, waren die Konstellationen teils weniger glücklich. Mitunter müssen sich diese Dinge erst einrütteln.

Welche Rollen müssen wie zugewiesen sein, damit die Aufgaben auch sinnvoll und effektiv verteilt sind? Je nach Aufgaben, Phasen oder Erfahrung des Teams muss ich als Führungskraft stärker als Koordinator oder als Integrator fungieren. Die Rollen sollten auch in Stellen-, Funktions- oder Arbeitsplatzbeschreibungen definiert und ggf. auf einen bestimmten Kontext zugeschnitten werden.

Interaction = Reflexion von Normen und Werten der Zusammenarbeit

Wer solche Themen ausblendet, wird zwangsläufig mit zwischenmenschlichen Konflikten und Reibungsverlusten konfrontiert. Auch in der Fußballnationalmannschaft hatten sich schon häufiger unterschiedliche Lager gebildet, z.B. erfahrene Leistungsträger gegen forsche Talente. Oliver Bierhoff bestätigte nach der vergangenen WM, mit den Spielern intensiv über das Cliquen-Thema diskutiert zu haben.

Die Abstimmung der Zusammenarbeit ist keine Einmalveranstaltung, sondern etwas, das ein erfolgreiches Team begleitet. Auch hier Vorbilder aus dem Fußball: Jürgen Klopp, der kürzlich ein Teammitglied beim Match gegen den FC Chelsea rügte, weil der sich zu sehr über einen Platzverweis des gegnerischen Spielers freute. Hansi Flick, der im Triumph des CL-Finalsieges bewusst wartete, bis jeder Mitarbeiter für das Bild mit dem gesamten Trainerteam bereit war.

Beides jeweils kurze Aktionen, aber von hoher symbolischer Bedeutung: Wie wollen wir miteinander umgehen, um unsere Ziele zu erreichen? Welches Verhalten soll Teil unserer DNA sein? Wofür wollen wir nicht stehen? Was ist überhaupt nicht akzeptabel?

Kultur entsteht durch die Interaktion im Team, sie kann nicht von oben verordnet werden. Das ist selbst bei hochbezahlten Profis nicht banal. Die aktuellen Beispiele aus Mainz und Barcelona geben einen kleinen Einblick.

Processes = Definierte Leistungs- und Kommunikationsprozesse

Damit ein Team seine höchste Produktivität erreicht, braucht es hohe gegenseitige Verlässlichkeit und eingespielte Routinen. Beim Fußball sind es zum Beispiel die Laufwege, die Abstimmung innerhalb und zwischen den Mannschaftsteilen. Im Führungsalltag sind es beispielsweise der Umgang miteinander oder die Kommunikationsroutinen: Wer berichtet in welcher Form in welcher Intensität an wen? Die Zusammenarbeit ist umso effektiver, je besser jeder Einzelne weiß, wie er zum Erfolg des Teams beitragen kann.

Das GRIP-Modell leistet bereits in der Aufbauphase wertvolle Dienste, doch es wird auch deutlich: Die Teamentwicklung ist nie abgeschlossen. Führungskräfte sollten sie stets im Auge behalten, auf Herausforderungen im Miteinander und auf Veränderungen in der Zusammensetzung reagieren. Für einen nachhaltigen Erfolg hat dieses Thema eine hohe Priorität verdient.

 

 


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