Das einzig Konstante ist der Widerstand gegen den Wandel

Wenn ich Aylas Laden aufsuche, winkt sie mir schon von Weitem durchs Schaufenster zu. Ayla ist meine Schneiderin, und sie verdient ihr Geld mit Änderungen. Nicht von ungefähr heißt es ja, die einzigen, die sich über Änderungen freuen, sind die Schneider. Die meisten Menschen reagieren dagegen zögerlich bis ablehnend, wenn es um Veränderungen geht.

Dabei ist der Wandel im Arbeitsleben ständig präsent und notwendig. Doch viele Change-Projekte laufen schleppend oder scheitern sogar, weil die Entscheider diesen menschlichen Faktor unterschätzt haben: Die meisten Mitarbeiter ziehen nicht begeistert mit, sondern wenden ihre Energie lieber dafür auf, gegen das Neue zu argumentieren und den Status quo zu halten.

Schon Machiavelli hat das erkannt

Schon vor mehr als 500 Jahren hat Niccolò Machiavelli dieses Phänomen beschrieben:

„Man muss sich … darüber im Klaren sein, dass es kein schwierigeres Wagnis, keinen zweifelhafteren Erfolg und keinen gefährlicheren Versuch gibt, als eine neue Ordnung einzuführen“, sagt er. „Denn jeder Neuerer hat alle die zu Feinden, die von alten Ordnung Vorteile hatten, und er hat in jenen nur laue Verteidiger, die sich von der neuen Ordnung Vorteile erhoffen.“

Die Anhänger der neuen Ordnung handelten, so Machiavelli, teils deshalb so lau, weil sie Furcht vor ihren Gegnern hätten, teils aber auch aus Misstrauen gegenüber den neuen Verhältnissen. Ihnen vertraue man erst dann, wenn man von ihrer Dauerhaftigkeit überzeugt sei. „Daher kommt es, dass die Feinde der neuen Ordnung diese bei jeder Gelegenheit mit aller Leidenschaftlichkeit angreifen und die anderen sie nur schwach verteidigen.“

Wer hat Ähnliches schon im beruflichen Kontext erlebt? Ich denke viele von uns. Mir jedenfalls fallen sofort verschiedene Situationen ein, in denen es sich so verhielt. Auch nach über 500 Jahren ist Machiavelli immer noch aktuell!

Erkennen Sie die Change-Typen

Was tun, um Veränderungsvorhaben dennoch erfolgreich umzusetzen? Ein erster Schritt ist es, die verschiedenen Menschentypen zu unterscheiden, die in Change-Projekten zum Vorschein kommen. Sieben zentrale Hauptgruppen lassen sich hier definieren:

  • Die Missionare

Missionare sind die Treiber eines Change-Projektes. Sie haben es initiiert, bringen es voran, sorgen dafür, dass andere sich dafür begeistern und erzeugen Aufbruchstimmung. Missionare sind nicht zwangsläufig die zentralen Entscheider, jedoch sollten sie das absolute Commitment der höchsten Ebene haben.

  • Die Gläubigen

Die Gläubigen sind von der Richtigkeit des Vorhabens überzeugt. Sie unterstützen die Missionare mit Herzblut und nach bestem Wissen und Gewissen und wirken so als Multiplikatoren. Um sie zu stärken und weitere Mitstreiter zu gewinnen, ist es wichtig, „quick wins“ zu realisieren und vor allem auch zu kommunizieren.

  • Die Lippenbekenner

Diese Mitarbeiter versuchen, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Angeblich sind sie überzeugt und positiv dem neuen System gegenüber, doch ihr Commitment ist eher lauwarm. Sobald ihre Unterstützung benötigt wird und erster Gegenwind spürbar wird, werden sie kleinlaut.

  • Die Gleichgültigen

Die Gleichgültigen können sowohl mit dem Status quo als auch mit der Neuerung leben – oder sie haben es noch nicht für nötig gehalten, sich eingehender damit auseinanderzusetzen. In dieser Gruppe liegt häufig viel Potenzial, vergleichbar mit Nicht- bzw. Wechselwählern in der Politik. Gelingt es, sie zu Gläubigen oder sogar Missionaren zu machen, ist das ein Meilenstein auch für zukünftige Veränderungen.

  • Die aufrechten Gegner

Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie von der Veränderung nichts halten oder zumindest nicht komplett überzeugt sind. Aufrechte Gegner kämpfen mit offenem Visier und treten für ihre Meinung ein. Deshalb kann ich mich im Idealfall konstruktiv mit ihnen auseinandersetzen. Werden sie allerdings direkt angegriffen, an den Pranger oder ins Abseits gestellt, besteht die Gefahr, dass sie sich der Gruppe der Widerstandskämpfer anschließen.

  • Die Widerstandskämpfer

Widerstandskämpfer agieren im Untergrund und sind bereit, das Vorhaben zu sabotieren. Dafür suchen sie, z. B. über den sogenannten Flurfunk, weitere Mitstreiter. Aus Mitarbeitern können Widerstandskämpfer werden, wenn sie nicht ausreichend Gehör und Wertschätzung für ihre Vorbehalte fanden. Hier heißt es, aufmerksam gegenzusteuern, damit der Widerstand im Untergrund nicht aus dem Ruder gerät. Und es lohnt die Anstrengung, sie zu aufrechten Gegnern „zu entwickeln“. Denn dann lässt sich ein kritisch-konstruktiver Austausch beginnen, der häufig einen richtigen Mehrwert bringt.

  • Die Emigranten

Emigranten ziehen sich aktiv aus dem Change-Projekt heraus. Diese Mitarbeiter verlassen das Unternehmen oder den Bereich, weil ihnen die Veränderungen zu weit gehen oder sie diese nicht mittragen wollen.

Durchleuchten Sie gedanklich Ihr Team. Wer lässt sich wo zuordnen? Die mit den Veränderungen einhergehenden komplexen Aufgaben und Wechselwirkungen lassen sich leichter bewältigen, wenn Sie Klarheit über die Zusammensetzung Ihres Teams haben. Zum einen können Sie besser entscheiden, wem Sie welche Aufgaben übertragen können. Zum anderen können Sie auf jeden einzelnen adäquat eingehen.

Als Führungskraft sollte ich in der Lage sein, die Veränderungsbereitschaft der Beteiligten nicht nur zu analysieren, sondern sie positiv zu beeinflussen. Dafür ist es hilfreich, die Faktoren zu kennen, welche die Veränderungsbereitschaft erhöhen und behindern oder reduzieren. Genau das sind auch die beiden Stellhebel, an denen sie ansetzen können

Trägt die Unternehmenskultur den Wandel?

Denken Sie auch an die bestehende Unternehmenskultur. Trägt sie die Veränderung? Oder wird durch Strukturen und Werte das Change-Projekt nicht mehr oder weniger subtil konterkariert?  „Culture eats strategy for breakfast“, hat Management-Guru Peter Drucker einst festgestellt

Über den Tellerrand des eigenen Bereichs oder Umfelds zu blicken, interdisziplinär zu denken und zu agieren, ist eine entscheidende Komponente im Wandel. Bereits in der Vorbereitung eines Change-Projekts ist das von großer Bedeutung.

Letztlich geht es darum, auch bei Fragezeichen, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten Entscheidungen zu treffen, um Orientierung und Rückhalt zu bieten. Ebenso wichtig ist es, die Wirkung der Maßnahmen nachzuhalten, zu bewerten und anzupassen.

Mit Veränderungen so umzugehen, dass sie als Selbstverständlichkeit wahrgenommen werden, als Normal- und nicht als Ausnahmezustand, ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil, der Ihnen hilft, Chancen entschlossen zu nutzen.