Weiter wie gehabt oder doch lieber Blaubeeren? Über den Wandel und den großen Wurf

Was würden Sie machen, wenn Sie noch einmal beruflich neu starten würden? Wenn das Blatt noch komplett weiß wäre? Es keine Historie gäbe, keine Altlasten, auf die es Rücksicht zu nehmen gilt. Nichts „historisch Gewachsenes“.

Würden Sie alles genauso wieder tun? Vielleicht doch einige Dinge moderat anpassen? Oder stünde das ganze Geschäftsmodell zur Disposition? Ein Gedanke, der sich allein aufgrund der Entwicklung der vergangenen Monate vielleicht schon aufgedrängt hat.

Beeren der Enttäuschung und der Hoffnung

Nachdem meine Ernte im Weinberg im vergangenen Jahr zu 80% dem Frost zum Opfer fiel, hatte ich schon überlegt, ob ich das als Einladung von Mutter Natur verstehen soll, meine Laufbahn als Hobby-Winzer wieder zu beenden. Viel Arbeit, viel Energie – und dann so eine Erfahrung. Da gibt es doch sicher dankbarere Freizeitbeschäftigungen.

Und möglicherweise sogar alternative Früchte. Die Blaubeere kam mir in den Sinn, denn sie gilt aktuell ohnehin als das Obst der Stunde. Leicht zu erkennen an der Vielzahl an Rezepten, die in den relevanten Internetforen viel Anklang finden: Blaubeeren in allen Varianten, als Smoothies, Pfannkuchen, Muffins – die „Foodies“, die gerne Bilder von ihrem Essen veröffentlichen, leisten ganze Arbeit beim Bewerben. Angeblich auch noch sehr gesund, ist sie für manche das „Superfood“ schlechthin. Auch preislich liegt sie im Rahmen.

Mittlerweile werden auf dem Weltmarkt Milliarden mit Blaubeeren umgesetzt, die heimischen Hersteller haben ihre Anbaufläche und Erntemenge verdoppelt. Kein anderes Obst oder Gemüse kommt auf vergleichbare Zuwachsraten. Vielleicht also den Weinberg platt machen und ebenfalls auf dem Trend surfen? Zumindest einen Versuch starten?

Was nun – durchhalten, kleine Anpassungen, radikale Änderung?

Nun soll man ja auch nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen. Wer durchhält und sich durch Schwierigkeiten kämpft, wird am Ende ja oft reich belohnt. Das hieße wohl darauf hoffen, dass so ein Jahr wie 2020 auch witterungsbedingt nicht noch einmal kommen wird. Vielleicht kann ich auch das ein oder andere bei Schnitt und Pflanzenschutz besser machen, den Weinberg für Frostnächte besser wappnen, bei Nachpflanzungen besser auf Rebsorte und Standort achten. Noch mehr Zeit investieren, noch tiefer ins Winzer-Know-how eintauchen.

Oder doch die radikale Änderung? Einstieg in den Blaubeeren-Anbau? Ich müsste ganz neu lernen. Mir neue Vertriebswege erschließen. Auch hier erst mal ackern. Wahrscheinlich gäbe es auch hier Rückschläge. Aber die Lust auf das blaue Früchtchen wäre schon groß, beflügelt von der Vision der Super-Beere, die mich zum Trend-Landwirt macht!

Steht Ihr Kompass auf Wandel? Und soll es der große Wurf sein?

Für welche Beere ich mich entscheide, spielt hier gar keine Rolle. Sondern ich will Sie motivieren, sich die gleichen Fragen zu stellen. Trägt Ihr Geschäftsmodell noch? Ist es Zeit für moderate Änderungen, zum Beispiel an der Struktur, der Kommunikation usw.? Oder soll es der tiefe Schnitt sein, der grundlegende Wandel, der konsequente Schritt ins Neuland? Was motiviert Sie, was treibt Sie voran? Sind Sie bereit dazu – und ist es auch Ihr Team?