Um Gottes Willen, bloß keine Coaches!

„Die Kunst guten Führens – Macht in Wirtschaft und Politik“: Mit diesem Buch haben zwei gestandene Persönlichkeiten ihre Erfahrungen zu kluger Führung und der Einsamkeit der Macht zu Papier gebracht. Thomas de Maizière war Kanzleramtschef, Innen- und Verteidigungsminister, Karl-Ludwig Kley war Merck-Chef und Oberaufseher von Eon und Lufthansa.

„Bei Erscheinung vergriffen“, dieses Traumziel wird das Buch wohl nicht erreichen. Sondern es geht in die obligatorische Vermarktung mit zahlreichen Interviews, damit das Werk möglichst viele Interessenten findet.

Unterstützung von außen? Ich doch nicht.

Bei der Frage nach der Bedeutung externer Coaches zieren sich beide. Kley verweist auf enge Vertraute im Unternehmen, auf Familie und Freunde. Einen professionellen Berater, welcher Form auch immer, habe er selten zu Rate gezogen. Er hätte in so einem Fall noch eher Vertraute in anderen Unternehmen angerufen und gefragt, wie diese mit dem oder jenem umgehen würden. Ganz kleine Hinweise seien schon hilfreich, sagt er, und oft reiche es, nur auf eine Spur gesetzt zu werden.

Ins gleiche Horn bläst der langjährige Spitzenpolitiker de Maizière: „Ich habe im eigenen Apparat versucht, Menschen aus verschiedenen Hierarchieebenen zu ermuntern, kritischen Rat zu geben. Das ist wertvoller als Kommunikationsberater.“

Berater in den eigenen Reihen?

Aha, ist das so? Ich versuche, mir das vorzustellen: die oberste Heeresleitung eines solchen Apparats, umringt von furchtlosen und risikofreudigen Mitarbeitern, die dem Chef mit Mut und Fingerspitzengefühl ehrliche Kritik geben können. Vielleicht ehrlicher als er es bisher gewohnt war oder verträgt. Gänzlich ohne Schielen auf die eigene Karriere, nur das Gemeinwohl im Sinn und vom Bemühen geprägt, Licht ins Dunkel zu bringen.

Auf interne Ressourcen setzt übrigens auch Angela Merkel. Schon frühzeitig griff sie auf Beate Baumann zurück. Schließlich leitet diese das Büro von Angela Merkel schon seit den 90er Jahren und gilt als ihre engste Vertraute, Beraterin, ihr Warnsystem. Als Merkel Generalsekretärin der CDU war, wurde Baumann im Konrad-Adenauer-Haus als „Gebärdendolmetscherin“ verspottet. Merkels Biograph Gerd Langguth schildert, wie die Mitarbeiterin der Chefin bei deren Auftritten mit Mimik und Zeichensprache Anweisungen gab.

Coaching als Makel?

Doch mal nüchtern betrachtet: Was soll denn daran schlecht sein, die Expertise von Fachkräften in den unterschiedlichen Disziplinen wie selbstverständlich in Anspruch zu nehmen? Schließlich haben auf dieser Ebene nicht nur die Entscheidungen selbst hohes Gewicht, sondern auch die Art und Weise, wie sie vermittelt werden. Selbstverständlich spielen Außenauftritte und Worte eine bedeutende Rolle.

Noch ziemlich präsent ist mir z.B. der Satz des damaligen Innenministers de Maizière, als 2015 wegen eines Terrorhinweises das Fußball-Länderspiel Deutschland – Niederlande in Hannover abgesagt werden musste: „Teile meiner Antwort könnten Sie verunsichern.“ Mit Verlaub, Herr de Maizière, aber da hätte Ihnen bei aller Spontaneität ein Berater sicher auch auf die Schnelle zu einer besseren Kommunikation verholfen. Mit so einer Aussage erreichen Sie natürlich genau das, was Sie zu verhindern versuchen.

Coaching als Selbstverständlichkeit

Mirco Wolf Wiegert, Gründer des Hamburger Unternehmens Fritz-Kola, hat zur Experten-Unterstützung in dieser Disziplin offensichtlich eine andere Einstellung. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sich nicht nur Führungskräfte mit Erfahrung in der Konsumgüterindustrie ins Haus geholt hat, sondern auch mit einem Coach zusammenarbeitet, der mit ihm „übt, eine vernünftige Führungskraft zu sein“. Was früher, wie er sagt, auf Kumpelbasis lief, braucht jetzt professionelle Unterstützung. Er müsse an seiner Wirkung und Kommunikation feilen.

Häufig öffnet sich durch den Blick von außen eine weitere und vielsprechende Perspektive, welche zusätzliche Optionen möglich macht. Handlungsempfehlungen können das eigene Verhaltensrepertoire bereichern, die Erfolgswahrscheinlichkeit in heiklen Führungssituationen deutlich erhöhen. Im Hochleistungssport ist das längst bekannt, Coaches arbeiten selbstverständlich mit am Erfolg. Höchste Zeit, dass der Nutzen durch diese Art von Flankenschutz auch wertgeschätzt wird.