„Ein Kollege wäre da sicher die bessere Wahl!“ Zahlt sich der Mut zur "Negativwerbung" aus?

Die TV-Serie ist schon ein paar Tage her, aber damals war sie ein enormer Erfolg und ich schmunzle noch immer, wenn ich daran denke: Helmut Dietls „Münchner Geschichten“. Protagonist Tscharlie fing alles Mögliche an, nichts gelang ihm wirklich.

„A größere Sach“, „Riessig“, „Ois Chicago“! So begann er seine beruflichen Neuanfänge und Ausflüge ins Unternehmertum, z.B. mit einem „Tschiensladen“ oder einer Brettlbühne. Immer etwas großspurig und sehr ambitioniert, rollte er schnell die Fahnen wieder ein, wenn sich erste Herausforderungen zeigten. In einer Episode versuchte er seinen damaligen Chef, Reisebüroinhaber Ehrlicher, vom Nutzen der Negativwerbung zu überzeugen. Seine Idee war, den Kunden reinen Wein einzuschenken, statt sie in blumiger Sprache zu umgarnen. Leider verstand der Chef die Idee nicht und setzte Charlie prompt vor die Tür.

Die Zeit scheint reif: Auf den Tisch statt unter den Teppich?

Mittlerweile ist die Zeit offensichtlich reif für solch einen Ansatz, wie das Beispiel des chinesischen Restaurants Aunt Dai im kanadischen Toronto zeigt. Auf der Speisekarte kommentiert der Inhaber alle Gerichte und klärt die Kunden differenziert über das Angebot auf. Dabei sagt er auch, wenn er selbst nicht ganz überzeugt ist: „Wir sind noch nicht hundertprozentig zufrieden mit dem Geschmack, es wird bald besser werden“, heißt es etwa zu einem Hühnchengericht. Oder: „Im Vergleich zu unserem General-Tao-Hühnchen ist das Orangen-Rindfleisch nicht soo gut.“

Andere Gerichte wiederum lobt er explizit oder stellt seinen persönlichen Bezug heraus: Ein Gericht war z.B. sein Lieblingsessen an der Universität, ein anderes weckt bei ihm Erinnerungen an die Heimat und hat dadurch Suchtpotenzial. Der ehemalige IT-Techniker fand, dass nicht jeder Kunde zu jedem Gericht, dessen Schärfe oder Textur einen Zugang findet. Also ging er in die Offensive. Mit seinen „Owner's words“ will er die Kunden sensibilisieren, dass es ihre ganz persönliche Entscheidung sei, was sie bestellen.

„Wir haben kein besonders herausragendes Gericht, etwas, das die Genialität des Kochs zeigt. Unser Essen wird immer gut sein, aber wir sind einfach nicht die Besten. Na ja, vielleicht ein bisschen über dem Durchschnitt“, sagt er frei heraus. Und landet mit dieser entwaffnenden Offenheit einen viralen Hit, der dem Restaurant großen Zulauf beschert – aktuell natürlich nur im Takeaway-Modus und mit Lieferservice. Die Kunden sind begeistert. So viel Ehrlichkeit und Authentizität zahlt sich offenbar aus.

Differenzierter Blick statt Superlative

Können wir das auch? Statt mit Superlativen zu arbeiten, Kunden durch vermeintliche Schwächen neugierig machen? Ich stelle mir das gerade plastisch vor: „Lieber HR Manager oder Personalentwickler bei Merck, Porsche oder SAP: Ja, natürlich arbeite ich mit Zoom und Microsoft Teams, mit Mentimeter, Milanote und Mural, und im Online-Workshop selbstverständlich mit allem kombiniert. Es klappt hervorragend, aber Andere kriegen das vielleicht noch besser hin.“

Vielleicht nicht ganz optimal für die Kundenansprache. Dennoch plädiere ich für mehr Offenheit und Authentizität in der Leistungsbeschreibung. Nicht alles perfekt können wollen, aber durchaus zeigen, mit welchen Stärken der Kunde eben auch rechnen kann. Die persönliche Handschrift ist wichtig, sie macht erkennbar, mit wem der Kunde es zu tun hat. So bildet sich Vertrauen und unrealistischen Erwartungen wird gleich der Wind aus den Segeln genommen.